Über mich

Sonntag, 30. Oktober 2011

Ich lebe noch!


Ich bin jetzt ziemlich genau schon seit 2 Monaten in der schönen Provence, und habe erst zweimal was geschrieben, so ein Mist!
Ach Mensch, ich habe einfach zu wenig Zeit hier, und dabei passiert immer so viel, ich komme gar nicht hinter! Also berichte ich jetzt schnell was in den letzten Wochen so passiert ist. Achtung, der Eintrag könnte länger werden…

Die wichtigste Info zuerst: Ich bin jetzt in meiner richtigen Gastfamilie angekommen! Vorgestern war der Umzug, jetzt wohne ich nicht mehr in Bédoin sondern in Mazan, keine 5km vom Kindergarten entfernt. Ich hatte 2 Wochen Besuch von meinen Eltern und meiner Schwester und habe bei ihnen  Ferienhaus mit gewohnt, dann gings von da aus mit Sack und Pack in meine „richtige“ Gastfamilie, die vorher erst noch das Haus ein wenig umräumen, mussten damit ich ein eigenes Zimmer habe. Ich wohne jetzt zusammen mit meinen Gasteltern Paul und Laure, die beide Theater spielen. Was genau sie machen weiß ich noch nicht, aber ich werde es herausfinden! Die beiden haben die kleine freche Tochter Jeanne, sie ist fast 3 und geht mit mir in den Kindergarten. Dann gibt es noch den riesigen Golden Retriever Klint, der genauso alt ist wie Jeanne. Jedes zweite Wochenende ist Laures 15-jährige Tochter aus erster Ehe da, Loise geht auf ein Internat und ist dann immer abwechselnd bei uns oder bei ihrem Papa. Ich hab hier mein eigenes großes Zimmer, ein eigenes Bad gleich nebenan kommt auch noch, Paul arbeitet dran. Ich wurde total lieb empfangen und ich fühle mich auch jetzt schon total wohl hier! Aus meinem Zimmerfenster habe ich eine ganz tolle Aussicht auf die Landschaft, und da merkt man immer mehr dass auch hier der Herbt angekommen ist.
Die Weintraubenfelder färben sich langsam rot, die Bäume verlieren die ersten Blätter, und ab und zu pfeift morgens ein ganz schön kühler Wind um die Ecken. Die ganze letzte Woche war das Wetter  auch gar nicht so gut, nur noch 20°C, viele Wolken und auch manchmal ein bisschen Regen, sodass wir den Kindern immer ihre Gummistifelchen angezogen haben, zusammen mit der dicken Jacke und der Mütze. Mit den Kindern singen wir jetzt auch Lieder über die Apfel- und Champignonernte, wir lesen Bücher über das Eichhörnchen, das Nüsse sammelt und statt Obstsalat wird jetzt dienstags immer Gemüsesuppe mit den Kindern gemacht. 

Am 3. Oktober haben wir im Kindergarten auch das Herbstfest gefeiert, „la fête de l’automne“.
Am Morgen schnitten wir das mitgebrachte Gemüse mit den Kindern, Kartoffeln, Porree, Karotten, Lauch und ganz viel Kürbis. Wir aßen dann etwas später alle zusammen draußen an einem langen Tisch, der hübsch mit Nüssen und Blättern geschmückt war. Wir mit den Kindern ein paar Lieder gesungen, wir haben Blätterkronen gebastelt und Blumen gepflanzt und natürlich dann die superleckere erste Suppe der Saison gegessen, die in einem großen Kürbis serviert wurde. Allerdings war es ein wenig merkwürdig, mit leichten Klamotten draußen im Sonnenschein bei 28°C heiße Gemüsesuppe zu essen… 

Und schon wieder bin ich beim Thema Essen angelangt. Da kommt man hier einfach nicht dran vorbei! Als ich letzten Mittwochabend alleine eine kleine Tour durch Bédoin gedreht habe, ist mir das auch wieder aufgefallen: Man kann keine 10m gehen, ohne an einem Bäcker, einem Café oder an einem Restaurant vorbei zu kommen. Weingute gibt es hier auch ohne Ende, ich wohnte vorher direkt gegenüber von einem. Und da die Ernte ja jetzt vorbei ist, hat die Garungszeit begonnen. Ich kam morgens also aus dem Haus, und es roch nach Wein. Ich kam abends nach Hause, und es roch nach Wein, und das ist keine sanfte Duftnote, nein, das riecht als würde mir jemand permanent eine Weinflasche unter die Nase halten. 

Apropos Wein: Jana, Lea und ich wurden von meinem Ex-Gastpapa Damien, bei dem ich ja vorher übergangsweise gewohnt hatte, zu einer Besichtigung des Weinguts für das er Wein anbaut eingeladen, mit anschließender Weinprobe und Kochkurs. Mein Gastpapa machte dann auch die Führung, neben uns waren noch ein älteres schwedisches Ehepaar, ein etwas merkwürdiger Franzose der durchgehend Fotos von uns dreien machte, eine andere Frau und noch meine Gastmama Isabelle. Damien (mein Gastpapa) gab sich wirklich Mühe, dass wir 3 alles verstanden, was oft gar nicht so einfach war. Zwar ist mein Französisch inzwischen echt ziemlich gut geworden und ich verstehe echt viel, aber diese ganzen Fachbegriffe waren dann doch etwas zu hoch. Aber dank Damiens Zeichen- und Körpersprache haben wir doch zumindest genug verstanden, um ziemlich erstaunt über die ganzen Maschinen und vor allem die Größe des Weinkellers zu sein. Nach der Führung wartete dann der Chefkoch Francois (jedenfalls sah er aus wie ein typischer Francois) bereits auf uns, und bereitet vor unseren Augen die einzelnen Gerichte zu. Das Menü war wie folgt:

Entrée: Auflauf mit gerösteten Nüssen und Jakobsmuscheln im Speckmantel in Eisenkraut- und Zitronengrassauce.
Hauptspeise: Hühnerbrustfilet mit Flusskrebsen, dazu mit Oliventapenade gefüllte Tomate und Kartoffelpüree mit Nüssen
Dessert: Flambierte Brinenmousse mit Orangenlikör
Dazu wurde serviert: Marquis de Sade blanc 2010 (Weißwein)

Dreimal dürft ihr raten wie ich das so fand mit meiner absoluten Abneigung gegen alles was jemals im Wasser lebte. Lea und Jana fanden meine leidende Miene glaub ich ziemlich belustigend, aber sie ermutigten mich wenigstens alles zu probieren, nach dem Motto : „Hey, du bist in der Provence, wir nehmen hier alles mit!“ Also aß ich tatsächlich fast die ganze Jakobsmuschel, und knackte auch den Krebs in der Mitte, riss ihm die Beine aus und schlürfte zumindest eins aus. Irgendwie schienen wir drei die einzigen im Raum gewesen zu sein, die noch nie einen Krebs gegessen hatten. Die anderen knackten ganz elegant und schlürften dann, während wir uns erst ziemlich blöd anschauten. Uns wurden dann aber ganz lieb erklärt wie man den Krebs wo knacken muss und wie man dann am Besten an das Fleisch kommt. (Man muss erst etwas auf dem Panzer rumkauen und gleichzeitig schlürfen!) Ich kann machen was ich will: Meerestiere sind und bleiben ein rotes Tuch für mich!
Nachdem Essen standen wir vor einer ziemlich kniffligen Frage: Wer fährt jetzt eigentlich? Während der guten Stunde in der der Koch das Essen zubereitet und natürlich auch zu jedem Gang wurde uns immer fleißig und ordentlich Wein nachgeschenkt, so dass wir die in Frankreich zugelassene Promillegrenze sicher schon längst überschritten hatten. Also dümpelten wir noch ein wenig im Weinladen rum, wo der eine Besitzer uns versprach, dass wann immer wir Wein kaufen wollen von ihm schöne Prozente bekommen würden. 1a!  Wir tuckerten dann irgendwann mit 30km/h nur kurz nach Mazan, um dort dann einen Espresso zu trinken und die freie Zeit zu genießen. Weiter gings dann noch nach Carpentras, auf der Suche nach einem Eis. Da man hier aber leider keine Kugel für unter 2€ findet, kaufte wir letztendlich Eis im Supermarkt. 

Lea zog an dem Wochenende in das neue Haus ein, und da ich das ganze Wochenende sturmfrei hatte lud ich Jana noch zu mir ein. Wir kauften uns Fertigpizza und beschlossen nach sehr, sehr langem Überlegen, für unsere Gastfamilien Brownies zu backen. Es wurde ein sehr gemütlicher Abend, wir quatschten ausgiebig über alles was uns so in den Kopf kam. Ich bin wirklich unglaublich froh, dass ich Lea und Jana bei mir habe. Es ist so einfach mit ihnen über alles zu sprechen, weil ich weiß, dass es ihnen genauso geht wie mir, oder zumindest so ähnlich. Wir sitzen alle drei im ähnlichen Boot, und zum Glück segeln wir alle drei auf der gleichen Welle, sodass wir uns wirklich glänzend verstehen. 

Wie wichtig mir die beiden sind, wurde mir letztens wieder bewusst: Ich hatte die Nacht über nicht gut geschlafen, weil Rémi im Zimmer neben mir immer wieder aufgewacht war und ziemlich laut geweint hat. Als ich aufwachte erwartete mich draußen der Mistral, ein ziemlich kalter und vor allem starker Nordwind, der angeblich immer entweder 3, 6, oder 9 Tage andauert. Außerdem war es dazu noch bewölkt, ich hatte malwieder die Nase voll vom französischen „Frühstück“ und war eh viel zu früh unterwegs. Jedenfalls hatte ich an dem Morgen ein ziemliches Heimweh-Tief. Als ich auf die Familie wartete, mit der ich Freitagmorgen immer zum Kindergarten fahre, und dann auch noch melancholische Musik hörte, kamen auf einmal ganz ohne Vorwarnung die Tränen. Den ganzen Vormittag war ich geistig irgendwie ziemlich abwesend, und man sah mir anscheinend an, dass ich nicht ganz auf der Höhe war. Andauernd wurde ich gefragt was mit mir los sei, bis dann beim Zubereiten des Essens in Gegenwart von Jana und Lea bei mir die Dämme brachen. Die beiden nahmen mich gleich in den Arm und trösteten mich, so dass es mir danach schon gleich ziemlich besser ging. Und wie Lea so schön sagte: „Irgendwann trifft es jeden“. Ich weiß nicht wie der Tag ohne die beiden noch verlaufen wäre, ich hätte mich vermutlich als Haufen Elend in einer Ecke verkrochen. Doch so wurde mir bewusst, dass ich gar nicht alleine bin, dass ich immer zwei liebe Mädels bei mir habe, die für mich da sind, wenn ich sie brauche. Wir haben auch schon einen Deal: „Wenn jemand einen Drücker braucht, dann fragt er einfach, und dann bekommt er den auch!“   
Wenn das Heimweh ganz schlimm sein sollte, wird eine Pyjamaparty organisiert, dann wird bei Aldi einkaufen gegangen und What a man geguckt! Alles schon festgelegt, uns kriegt nichts runter!

Schön war auch der eine Samstag: Erster Punkt des Tages: Carwash! Hilde war inzwischen wirklich ziemlich dreckig, vor allem die Scheiben, sodass man bei tiefstehender Sonne nicht wirklich viel sehen kann (also im Prinzip immer dann wenn wir entweder zum Kindergarten oder nach Hause fahren.) Wir fuhren also nach Carpentras zur Tanke und versuchten die Anzeigen zu verstehen. Der nette Tankwart empfahl uns dann die 5€ Wäsche, und wir glaubten ihm einfach mal. Tatsächlich sah Hilde danach zumindest um einiges sauberer aus als vorher. Als nächstes machten wir uns auf zum intermarché, einem Supermarkt, wir brauchten nämlich Passbilder. Aber wie das nun mal so ist wenn wir drei unterwegs sind, wurden aus den 15min die wir für die Passbilder höchstens brauchten plötzlich 60. Wir machten noch ziemlich dämliche Bilder wo unsere Köpfe auf nette Männerkörper gesetzt wurden, und natürlich durften auch die klassischen „Fotoautomaten-schwarz-weiß-quetsch-Bilder“ nicht fehlen. Zwischendurch ging immer mal jemand zum Bäcker und holte was zu essen. Dann machten wir uns auf die Suche nach dem Bahnhof. Leider haben wie das System des Verkehrs von Carpentras noch nicht durschaut und fuhren gefühlte 5 Schlaufen durch die ganze Stadt, bis wir ihn dann endlich fanden. Wir kauften uns jeder für 49€ eine Bahnkarte für 12-26 Jährige, mit der man immer von mindestens 25% bis zu 75% Rabatt auf alle Bahnfahrten in ganz Frankreich bekommt.Dafür waren dann auch die Passbilder gedacht. Weiter ging die Reise, diesmal suchten wir einen Aldi, da wir uns dachten, dass es in Frankreich bestimmt sowas wie Alditalk France geben muss, denn wir drei sind die enormen Auslandspreise unserer deutschen Anbieter ziemlich leid. Die Suche nach dem Aldi war noch schlimmer als die vom Bahnhof. Diesmal fuhren wir bestimmt 10 Schleifen, fragten 4 Menschen nach dem Weg und fanden ihn trotzdem nicht. Also machten wir uns auf den Weg zum Busbahnhof, wo wir mit Jannik, ein Freiwilliger der in der Nähe von Avingon arbeitet und den Lea und ich beim Seminar kennengelernt hatten, verabredet waren. Auch zum Busbahnhof fanden wir, wer hätte es gedacht, nicht auf Anhieb. Das Problem in Carpentras ist einfach, dass der Verkehr ein großer Kreis um die Stadt bildet, aber immer nur in eine Richtung. Das heißt, wenn man zu spät aus dem Ring rausfährt, muss man den ganzen Ring um die Stadt noch einmal fahren. Sprich wir sind den Tag etwa 10x um Capentras gefahren sind. Nachdem wir die Taktik entwickelt hatten einfach einem Bus hinterherzufahren, fanden wir schließlich dann doch den Busbahnhof, wo Jannik auch schon auf uns wartete und mit ihm im Gepäck suchten wir weiter nach einem Aldi. Man mag es kaum glauben, aber wir haben den Aldi tatsächlich noch gefunden und darüber freuten wir uns so sehr, dass wir hupend und johlend auf den Parkplatz fuhren. Kaum hatten wir den Aldi betreten kam bei jedem von uns ein „Zuhause“-Gefühl auf, denn es scheint so als sei jeder Aldi gleich eingerichtet. Mit den armen voll Essen verließen wir den Laden und machten ein Picknick auf Hildes Motorhaube, was nicht sehr entspannt war, da der doofe Mistral andauernd alles umpustete. Als wir wieder aufbrachen stellten wir fest, dass Hildes Tankanzeige schon tief im roten Bereich lag, wir fuhren zum Leclerc um zu tanken und danach ging‘s ab nach Vaison-la-Romaine, wo angeblich der Mistral nicht so stark seins sollte. Das stimmte so nicht ganz, wie wir dann rausfanden, denn auch hier stürmte es ziemlich. 
Deswegen suchten wir uns ein kleines süßes Café, wo wir uns niederließen und eine heiße Schokolade bzw. einen Tee tranken und ausgiebig quatschten. Da es Jana nicht so gu ging und Jannik ein Handballspiel bevorstand, brachen wir ziemlich schnell wieder auf, lieferten Jana bei sich zu Hause ab und fuhren zurück nach Carpentras, wo Jannik dann den Bus nach Avignon nahm. Lea und ich beschlossen, uns noch einen netten Abend in Carpentras zu machen. Wir suchten nach einem hübschen und am besten nicht zu teurem Restaurant – und landeten bei McDonald’s, denn irgendwie hatten die anderen Restaurants entweder geschlossen oder waren uns zu teuer. Dort verbrachten wir dann knapp 2 Stunden, bis wir uns dann zum Kino aufmachten. Wir hatten uns nämlich überlegt, den Film „Le nouvelle guerre des boutons“ zu schauen. Der Film war total schön und typisch französisch, vom Regisseur von „Monsieur Mathieu et les choriste“ und ich muss sagen, dass ich echt überrascht war, wie viel ich dann doch verstand. 

So ein Tag ganz ohne Gastfamilie ist echt total entspannend, keine schreiende Kinder, keine Wäsche die auf einen wartet, keiner mit dem ich mich irgendwie angestrengt auf Französisch unterhalten muss. Einfach das machen worauf man Lust hat, mit 2 ganz tollen Mädels, die zufällig genau den gleichen Gedanken an Wochenenden haben wie ich: Endlich mal rauskommen!

Den Gedanken haben wir auch vorletztes Wochenende verfolgt, unser Plan hieß: Auf nach Marseille! Da ich am Freitagabend allerdings noch Babysitten musste ging es für mich dann Samstagmorgen um 5 Uhr los: mit Hilde fuhr ich nach Carpentras, da parkte ich sie gut versteckt hinter einem VW Bus und schloss 3x ab (Frankreich ist ja bekannt für Autoklau und – verbrennung) und suchte den Busbahnhof, um mit dem Bus nach Avignon zu tuckern. (Natürlich fand ich den Busbahnhof zu Fuß erst recht nicht, zum Glück hatte ich einen 30min-Puffer mit eingerechnet  in meiner Planung.) Für ganze 2€ fuhr ich dann 50 Minuten nach Avingon zum Bahnhof, wo ich den Zug um 7:10Uhr nehmen wollte. Jana und Lea wollten schon am Freitagabend nach Feierabend nach Marseille losdüsen, doch kurz vorher ist denen dann aufgefallen, dass das zeitlich ziemlich doof ist, wenn sie um 22:30Uhr in Marseille ankommen und dann noch nach einer Unterkunft suchen müssten. Deshalb traf ich die Beiden dann am Bahnhof in Avignon, wir kauften uns die Zugtickets (mit 50% Ermäßigung Dank unserer tollen Karte) und ab ging die Post nach Marseille. Keine 2 Stunden später waren wir dann auch schon da, die Sonne schien in unser Gesicht und wir genossen erstmal unser kleines Frühstück mit Pain au chocolat und Salat den Treppen des Bahnhofs. Lea holte dann ihre Freundin Vio ab, die am Morgen mit dem Flugzeug nach Marseille gekommen war um Lea zu besuchen. Zu Viert machten wir uns dann auf, um die Straßen Marseilles zu erkunden. Natürlich ging das gleich in Shoppen über, sodass wir neben den großen und schweren Rucksäcken gleich jeder noch mindestens 2 Tüten zu tragen hatte. Im „Office de tourisme“ erfragten wir den Weg zum Backpacker Hostel, und per Metro und Bus fuhren wir dann in die Richtung, allerdings mussten wir noch ein gutes Stück zu Fuß laufen, und erst nachdem wir gefühlte 10 Leute nach dem Weg gefragt hatten fanden wir dann endlich das „Hostel“. In Wirklichkeit war das nämlich eigentlich eine Garage, wo ein Mädchen ihre kleine Wohnung drin hatte. Lediglich auf dem Zwischenboden unter der Decke war Platz für genau 4 Matratzen, es gab nur ein ganz kleines Bad und keine Möglichkeit irgendwelche Sachen einzuschließen. Für den ganzen Luxus wollte das Mädchen dann lediglich 15€ pro Person, also entscheiden wir uns ganz schnell dagegen und verabschiedeten uns freundlich. Wir wussten nämlich, dass nicht weit entfernt eine Jugendherberge Platz für uns 4 hätte, und die wollten nur 20,40€ pro Person, inklusive Einschließmöglichkeiten und (ganz wichtig!) Frühstück! Gegen 15 Uhr waren wir dann auch endlich da angekommen, und da wir alle seit mindestens 12 Stunden schon auf den Beinen waren, brachen wir erstmal auf den Betten zusammen. 
Doch uns ging der Anblick vom Mittelmeer in der warmen Sonne nicht aus dem Kopf, so dass wir uns aufrafften, in unsere Bikinis schlüpften, das Badehandtuch unter den Arm klemmten und zum keine 2km entfernten Strand marschierten. Das Wasser war wirklich sehr kalt, als wir den großen Zeh hineinhielten. Aber wir sagten uns: „Hey, wir sind in Marseille am Mittelmeer, wenn schon denn schon!“ Also rannten wir kreischend uns Meer, bevor wir es uns anders hätten überlegen können. Und was soll ich sagen, es war einfach nur wunderbar! Es war Mitte Oktober, in Deutschland gab es laut meiner Oma bereits Bodenfrost – und wir badeten im Mittelmeer!! Allerdings war es dann mit dem Wind am Strand tatsächlich ein wenig kühl, sodass wir nach einem kurzen Sonnenbad zurück zur Jugendherberge stiefelten und uns zum Pizzaessen fertig machten. In dem kleinen Bistro bestellten wir dann 3 Pizzen super leckere und vor allem große Pizzen, die 4. war leider etwas angebrannt, aber dafür war sie umsonst. Die ließen wir dann in einen Pizzakarton einpacken und nahmen sie mit, wir wollten noch das abendliche Marseille etwas erkunden. Als wir dann, ich mit dem Pizzakarton in der Hand, aus dem Bus ausstiegen, verging uns ganz schnell die gute Laune: zwei etwa 16 Jahre alte, ziemlich aufmüpfig wirkende Mädchen kamen auf mich zu, und es geschah folgendes:

Das eine Mädel (gleich total aggressiv und dominant):  „Gib uns die Pizza!“
Ich (erstmal total erschrocken von so einer Unfreundlichkeit und Dreistigkeit): „Ähm, nein?“
 Sie: „Gib uns die Pizza!“
Ich (immernoch ruhig, aber ernst): „Nein, das ist unsere Pizza!“

Dann habe ich mich nach hinten zu den anderen umgedreht, damit die auch was sagen. Das war ein Fehler, denn genau in dem Moment nahm das eine Mädchen mir den Karton gekonnt aus der Hand und lief keine 10m weiter zu einer Mauer, wo der Rest ihrer Clique saß, sie waren etwa 6 Leute, darunter zwei recht stark aussehende Kerle. Einen Schockmoment lang standen wir wie angewurzelt da, dann gingen wir zusammen auf die Gruppe zu, um unsere Pizza zurück zu erobern. Irgendwie war die Stimmung schon ziemlich angespannt, und ich wette die hatten alle mindestens ein Messer bei sich und haben sich alle schon des Öfteren um Pizza geschlagen. Jana löste die Situation dann sehr diplomatisch auf, indem sie sagte, dass sie ein Stück haben könnte und wir dann den Rest mitnehmen würden. Das Mädel grapschte dann nach einem besonders großen Stück und wir machten ganz schnell die Fliege. Den ganzen weiteren Weg lang sprachen wir dann nur über das was passiert war, und wie perplex und wütend wir über so eine unglaublich dreiste Aktion waren. Außerdem ärgerte es uns, dass das Mädel ein Stück Pizza bekommen hat, und somit, zumindest teilweise, das bekommen hatte was sie wollte. Für uns war der Abend gelaufen, der letzte Bus fuhr eh um 22:30 Uhr zur Jugendherberge, und bevor noch mehr Kleinkriminelle uns was klauen konnten machten wir uns auf den Weg zurück zur Jugendherberge, wo wir uns in die Lobby setzten. Kurze Zeit später gesellte sich ein Tunesier zu uns, mit dem wir in ein ziemlich nettes Gespräch kamen. Er war Student und machte gerade eine kleine Rundreise durch Frankreich, am nächsten Abend würde sein Flug zurück nach Tunis gehen. Rafik (so hieß er) war wirklich nett, aber irgendwie ging mir nicht aus dem Kopf, was Lea und beim Frühstück auf den Treppen aus dem Reiseführer vorgelesen hatte. Dort hieß es, dass Marseille alle Probleme einer Stadt vereine, dass es nur so strotzte von Drogen-, Organ- und Waffenhandel, dass es aufblühende Mafiaorganisationen gab, und sowieso sollte man eigentlich nicht unbedingt nach Marseille gehen, wenn einem sein Leben, sein Geld und seine Gesundheit lieb war. ABER an sich sei Marseille ja ganz hübsch, so mit den Booten und dem Mittelmeer. Jana hatte dann noch von einem Film erzählt, den sie mal gesehen hatte: Zwei Mädchen waren in Paris unterwegs, wurden dann von einem nett scheinenden Mann angelockt, von der Mafia verschleppt, drogenabhängig gemacht und die eine wurde ermordet. Nett! Sowas will man doch hören, wenn man alleine in einer sowieso als gefährlich geltenden Stadt unterwegs ist! Jedenfalls musste ich an all das immer wieder denken, als wir uns mit Rafik über unsere Pläne für den morgigen Tag sprachen. Wir wollten uns nämlich noch etwas Kultur gönnen, da wir irgendwie von Marseille an sich nicht wirklich viel gesehen hatten, eine Bootstour durch die ganzen Buchten, die Calanques,  fanden wir ganz spannend. Wir standen also schon um 7Uhr wieder auf, aßen schnell was zum Frühstück, packten unsere Rucksäcke, checkten aus und machten uns auf den Weg zur Bushaltestelle. Dort trafen wir auf eine ziemlich eindeutig Deutsch sprechende Schülergruppe, mit denen wir uns dann nett unterhielten. Auch sie waren auf dem Weg zum „Vieux Port“, dem Hafen von Marseille, sodass wir, zusammen mit Rafik, der mitgekommen war, mit dem Bus und der Metro fuhren. Am Hafen stellten wir dann fest, dass die Bootstour, die wir uns ausgesucht hatten, bereits ausgebucht war. Super! Egal was wir planen, alles geht in die Grütze, beziehungsweise klappt nicht so wie wir uns das vorstellen! Wir fanden dann schließlich einen Bus, der an der Küste entlangfuhr, stiegen einfach an einer Haltestelle aus, wo es uns gefiel. Viel Zeit um die tolle Aussicht zu genießen hatten wir allerdings nicht, denn unser Zug zurück nach Avingon fuhr schon um 12:20Uhr. Also fuhren wir mit dem Bus zurück und gingen dann zu Fuß zum Bahnhof. Natürlich kamen wir wieder an dem tollen Keks- und Seifenladen vorbei, sodass wir die letzten Meter schon fast sprinten mussten. Wir kauften schnell die Tickets, machten es uns im Zug gemütlich und wir aßen zusammen die frisch gekauften Kekse - beziehungsweise den einen Keks, denn jeder hatte sich nur einen gekauft, angesichts der 2€ pro Keks ziemlich verständlich denke ich. Von Avignon aus ging es dann wieder mit dem Bus nach Carpentras, wo wir mit Hilde dann zu Tabea fuhren, eine andere Freiwillige die mit Jannik zusammen arbeitet und die uns spontan zu ihrem Geburtstag eingeladen hatte. Da sie in Carpentras in einer Gastfamilie wohnt (wie der Zufall es so will wohnt sie bei der Gründerin und ehemaligen Direktorin von unserem Kindergarten!) waren wir ziemlich schnell bei ihr. Sie hatte bereits mit den 4 anderen Freiwilligen aus Sorque (dem Ort wo die Waldorfschule ist, an der die 5 arbeiten) gegrillt, aber für uns war noch etwas Nudelsalat übrig. Es war super, die anderen 4 endlich Mal kennenzulernen (Jannik kennen wir ja schon), da wird sich bestimmt noch mal was ergeben und man wird sich bestimmt noch öfter Mal sehen!

Mich drängte es nachdem es den Kuchen mit 20 Kerzen für Tabea gab dann aber doch zum Aufbruch, denn bereits am Samstagabend waren meine Eltern und meine Schwester angekommen um mich zu besuchen.
Papa holte mich und mein ganzen Krempel dann später dann von Isabelle ab und endlich konnte ich meine liebe Familie wieder in die Arme schließen.
Die zwei Wochen waren auch total schön, obwohl ich ja durch die Arbeit im Kindergarten eher wenig Zeit hatte. Trotzdem haben wir uns einiges angeguckt, und es war einfach total schön mal wieder Mamas Essen zu essen und ein ordentliches Frühstück zu haben!
Der Abschied fiel mir dann auch wieder ziemlich schwer, weil ich in den 2 Wochen gemerkt habe wie sehr ich das Vertraute und Heimische vermisst habe und wie schön es mit der eigenen Familie ist.
Aber da ich hier jetzt so lieb empfangen wurde gingen die Gedanken schon wieder ganz schnell vorbei, ich freu mich auf die Zeit mit meiner neuen Gastfamilie und bin gespannt was ich mit ihnen alles erleben werde.
 
 
So, das wars jetzt erstmal. Ich werde versuchen wieder öfter was zu schreiben und dafür dann kürzer.
Liebe sonnige Grüße nach Deutschland, oder Kanada, oder Australien  – oder wo auch immer ihr gerade seid.

Carolin 

Achja: Wenn man auf die Fotos klickt, werden sie größer!