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Samstag, 1. September 2012

Ca y est, c'est la fin!


1. September. 
Genau heute vor einem Jahr begann mein Abenteuer in der Provence. Ich bin jetzt schon seit fast einem Monat wieder zurück in Deutschland, und doch denke ich oft an die Zeit in der Sonne zurück. Meine Gastfamilie hat mir liebe Emails mit Fotos von der kleinen Jeanne geschickt, sie kommt übermorgen in die Vorschule und hat einen grünen Ranzen mit einem Rhinozeros drauf. Sie fehlt mir! Sie fehlen mir alle!
Ich werde jetzt mal von den letzten 3 Wochen berichten, wie alles dem Ende zuging. Eins kann ich schon vorab sagen: es war sehr tränenreich!

Zuerst kam der Abschied vom Kindergarten. Die Stimmung an den letzten Tagen war ganz schön, irgendwie friedlich. Pascale und ich ließen alles ruhig angehen, legten uns mit unseren kleinen Krabben in die Kuschelecke, massierten die Füße, lasen Geschichten, sangen. Von einigen Eltern gab es sogar kleine Geschenkchen, was mich sehr rührte. Am Freitag, dem allerletzten Tag, liefen wir fast alle den ganzen Tag weinend umher. Dann traf man sich im Flur, die Augen rot und feucht, umarmte sich und ging weiter. Es war wirklich ein schöner letzter Tag, es gab sogar die guten Crêpes au Champignon zu essen! Und dann wurden die Pforten des Petit Prince für immer geschlossen.

Am Abend fuhren Jana, Lea und ich nach Gigondas, ein kleines Dorf etwas nördlich von uns. Paul und Laure arbeiteten da nämlich mit dem Tourismusbüro zusammen und gestalteten theatralisch einige Dorfführungen. Und weil wir drei ganz liebe nette Mädchen sind wurden wir eingeladen, bei einer Führung mitzumachen. Muriel, die die Führung leitete, erklärte viel über die Geschichte des Dorfes, die Architektur und die Sagen. Und das was uns erzählt wurde, wurde dann theatralisch nachgestellt. In einer Szene stellte Paul einen bösen Prinzen Aragon dar, der die schöne Prinzessin Hugette einsperrte. Zum Glück gab es den stolzen und mutigen Ritter Guillaume (dargestellt von Francois, einem Papa aus dem Kindergarten und guter Freund von Paul und Laure) der sich durch Flüsse und Wälder schlug und die Prinzessin rettete und den bösen Prinzen verjagte.
An einem Brunnen wurde uns das Wassersystem von damals erklärt, und dann kam Laure in einem schönen weißen Kleid und gab uns Wasser aus der Quelle zu trinken, „Du wirst sehen, dieses Wasser wird dich heilen, dein Leben wird sich verändern!“
Ganz zum Schluss sang Paul seinen Traktor Blues, als über die Weinkultur gesprochen wurde. Danach gab es dann echten Gingondas-Wein und Pizza.
Das lustige war, dass ich eigentlich alle Szenen schon kannte. Beim Abwaschen hat Laure immer ihre Texte geübt, und Paul hat sich sehr in seine Rolle als böser Prinz verliebt, dass er auch gerne mal beim Abendessen die Leute rumkommandiert hat, „Ich bin Prinz Aragon, man gebe mir den Salat!“
Also wenn man bei uns zu Hause jemanden mit sich selbst sprechen hörte, war das ganz gewöhnlich. Am Anfang hat mich das etwas irritiert, wieso fragt Laure beim Tomatenschneiden einen unsichtbaren Guillaume, ob er sie heiraten will? Alles normal, total normal.





Wir erklimmen den Giganten!
Genau heute vor einem Monat stand ich beim Sonnenaufgang auf dem „Giganten der Provence“ wie er genannt wird: dem Mont Ventoux. Als kleine Abschiedszeremonie wurden wir von Isabelle, der Leiterin des Kindergartens, eingeladen, mit jedem der wollte auf den 1972m hohen Berg zu steigen. Und so trafen wir uns am 31. August um 19 Uhr am Treffpunkt, und es ging los. Zuvor wurden unsere Schlafsachen mit den Autos hochgefahren, unsere Hilde gehörte auch zu den Bergziegen. Mit drei Autos waren wir hochgefahren, hatten die Sachen abgeladen, wir ließen zwei Autos oben und nur Hilde fuhr wieder nach unten. Beim Abstieg begann malwieder eine ihrer drei Warnlampen zu leuchten, doch anders als sonst fing sie auch laut an zu piepsen. „Das macht sie schon öfters, obwohl, gepiepst hat sie dabei noch nie… naja, wird schon nicht schlimm sein!“, sagte ich. Isabelle, die neben mir saß, schaute sich das Lämpchen an sagte bestürzt: „Das ist das Öl! Ihr habt kein Öl mehr! Und das leuchtet schon länger auf? Seid ihr verrückt? Ihr müsst doch mal Öl nachfüllen!“ Als wir dann wieder unten am Treffpunkt angekommen waren, schaute Damien auch gleich mal unter unsere Motorhaube, die ich festhalten musste, weil das Teil zum festhalten irgendwie nicht existierte. Er prüfte den Ölstand, und meinte nur: „Ihr habt genau gar kein Öl mehr. Ein wunder dass die Kiste überhaupt noch angesprungen ist!“ Er schaute in unserem Kofferraum nach, und jetzt wussten wir auch was in dem komischen Kanister drin war: Öl! Er fütterte unsere Hilde also, und schaute sich auch die anderen Sachen mal ein wenig an. Hier ein leckendes Rohr, da ein Kabel das ins nichts führt. „Okay, ich glaube wir machen die Motorhaube schnell mal zu und tun so, als hätten wir nichts gesehen!“, sagte er kopfschüttelnd. Inzwischen waren die Erzieherinnen vom Kindergarten alle da mit Familie, Leas Gastmama und Kinder und auch Aurélia, unsere Freundin, war mitgekommen. Im Sonnenuntergang waren wir gute drei Stunden unterwegs, immer wieder machten wir kleine Päuschen, sangen Lieder und stärkten uns. 
Auf 900m Höhe war unser Rastplatz, eine kleine Ebene die als Campingplatz dient. und dort fanden wir dann auch alles wieder. Es gab ein Picknick bei Vollmond, Couscoussalat, Melonen, Pizza, Aprikosen, Käse, Rotwein und Kuchen. Isabelle überreichte uns dreien auch noch ein kleines Geschenk, einen selbst genähten kleinen Prinzen als Schlüsselanhänger. Langsam wurden wir alle schläfrig, also bauten wir unserer Lager unter der großen alten Pinie: Isomatte, Schlafsack – fertig. Wir sangen ein paar Einschlaflieder aus dem Kindergarten, und dann hieß es: Bonne nuit! Ganz so schön war die Nacht allerdings für niemanden, der Mond war ziemlich hell, es war kühl und überall raschelte es. 
Aber um 3 Uhr mussten wir sowieso wieder aufstehen, denn wir hatten bis zum Sonnenaufgang noch ein gutes Stück vor uns! Wir packten unsere Sachen also wieder zusammen, schnallten die Rucksäcke auf uns stiefelten im Halbschlaf weiter. Das letzte Stück war wirklich sehr anstrengend, es ging ziemlich steil bergauf, es war dunkel, wir waren müde. Links neben uns sahen wir die schlafende Provence, da hinten war Carpentras, hier vorne muss Mazan liegen. Auf der anderen Seite, hinter den Bergen, sahen wir schon in warmen Farbtönen die Sonne erwachen. Es wurde immer windiger, der Weg immer steiler, die Beine immer schwerer. Doch Isabelle wusste uns zu motivieren, und dann schafften wir es tatsächlich noch rechtzeitig! Gerade hatten waren wir oben auf der Plattform angekommen und hatten uns hingesetzt, da kam die Sonne hinter den Bergen hervorgekrochen. Diesen Moment werde ich nie vergessen! Wir saßen alle Arm in Arm, hoch oben, es windete, keiner sagte ein Wort, und die Sonne erwärmte uns. Magisch.
Doch wir waren nicht die einzigen, die so früh schon gewandert waren: in Mazan gibt es einen Wein-Verein, die sich nun alle hier oben getroffen haben. Sie hatten ein Frühstück vorbereitet, mit Kaffee, Tee, Keksen, Kuchen, und – natürlich – Rotwein. Da Isabelles Mann Damien auch zum Verein gehört, und sich sowieso irgendwie alle kannten, wurden wir spontan mit eingeladen und verbrachten einen netten Moment mit den Weinbauern. Dann fuhren wir mit ein paar Autos wieder nach unten zu unserem Lager, wo wir alle zusammen gemütlich frühstückten. Wir machten ein Nickerchen in der morgendlichen Sonne, dann begann der Abstieg – per Auto, zum Glück. Unsere Hilde stand auch immer noch am gleichen Fleck. Bei den meisten war es das letze Mal, dass wir sie sahen.
Unsere Hilde brachte uns heil wieder nach Hause, ich kam auf dem Campingplatz an, und ging erst einmal schlafen.

Am späten Nachmittag wachte ich dann auf, Jeanne war quietschend auf mein Bett gesprungen, sie wollte dass ich ihr was vorlese. Später half ich dann Laure in der Küche, für den Abend war nämlich eine kleine Feier bei uns geplant. Es kamen hauptsächlich die Leute vom Theater, doch auch Lea und Jana waren eingeladen, es war auch unsere Abschiedsfeier. Jeder brachte etwas zu essen oder zu trinken mit, es gab ein tolles Buffet. Paul hatte Würstchen und Fleisch gekauft, die sich jeder auf einen Spieß steckte und über dem großen Grill braten konnte. Es war ein sehr sehr schöner Abend, als der Roséwein seine Wirkung zeigte holte Paul seine Gitarre raus und schmetterte uns Lagerfeuerlieder, bei denen wir alle lauthals mitsangen. Jeanne turnte den ganzen Abend durch die Gegend, doch irgendwann kam sie auf meinen Schoss geklettert und schlief dann in meinen Armen fast ein, sodass ich sie ins Bett brachte. Gegen zwei Uhr morgens gingen dann die ersten nach Hause, und das Kommando war gegeben. Ich musste mich wieder von vielen lieben Leuten verabschieden, die ich während des Festivals kennengelernt hatte. Ich half Laure noch beim Abwasch, dann gingen wir auch irgendwann in die Wohnwägen.

Dann ist meine Gastfamilie Richtung  Südosten gefahren, mit Freunden von ihnen planen sie ihre neuen Projekte. Das Festival ist vorbei, Laure hatte schon Depressionen, sie meinte Paul sollte doch mal den Campingplatz mit den Bühnenlichtern erleuchten, damit sie sich wie auf der Bühne fühlt. Das Festival ist sehr gut gelaufen wir sie, alle Ausgaben haben sie wieder reinbekommen, und das ist das, was zählt. Gewinn macht auf dem Festival eigentlich niemand, die Saalpreise sind unwahrscheinlich teuer, das geht bis zu 10000€ die Woche. Es geht viel mehr um das Kontakte knüpfen. Oft sind Agenturen unterwegs die sich einige Stücke anschauen, und eventuell dann die Visitenkarte liegen lassen, wenn sie interessiert sind. Und laut Paul sieht es nicht schlecht aus, Interesse aus Nizza, Belgien und Nordfrankreich. 

Und der Termin im Südosten kam recht unvorhergesehen, und somit mussten wir uns früher verabschieden, als gedacht. Zimmer und Wohnwagen ausräumen und saubermachen und versuchen alles irgendwo zu verstauen. Ich saß einen kleinen Moment in meinem leeren Zimmer, alles kahl, alles unbelebt. „Alles ist leer! Jetzt gehst du wirklich endgültig. Nicht nur nach Spanien, in die Bretagne oder an die Côte d’Azur. Das wird ganz komisch ohne dich!“, Laure war zu mir gekommen, wir schauten uns an, und wir mussten beide anfangen zu weinen, so saßen wir da eine Weile weinend arm in arm, bis Jeanne dazu kam und uns fragend ansah.
Der Abschied von meiner lieben Familie fiel mir wirklich sehr sehr schwer. Bereits eine Woche vorher musste ich immer ab und zu weinen, die letzten 3 Tage kannte man mich nur mit geröteten und geschwollenen Augen. Selbst beim Abwaschen konnte ich mich nicht zurückhalten, und Paul konnte es natürlich nicht lassen: „Also wenn du willst, können wir dir eine Packung Spülmittel mitgeben, wenn es das ist, was dich so traurig macht…“ Aber auch er nahm mich immer mal wieder in die Arme und drückte mich fest. Sie luden mich an einem Abend zum Essen ein am See, und Laure schenkte mir ein schönes Paar Ohrringe, als Dankeschön.
Und meine kleine Jeanne hat das alles nicht so richtig verstanden, glaube ich.

„Warum weinst du, Car?“
„Weil ich bald zurück zu meiner Mama und meinem Papa nach Deutschland fahre.“
„Ah. Aber… du kommst danach doch wieder, oder?“

Für sie ist es so, als würde ich eine Reise machen, und danach wie immer wieder zurück kommen. Aber als dann tatsächlich der Abschied kam, weinte meine Kleine dann doch ganz doll und wollte sich nicht aus unserer Umarmung lösen. „Ich will nicht, dass du gehst, Carcar. Du sollst bleiben!“
Auch die Oma von nebenan war gekommen, drückte mir eine Packung Bonbons in die Hand und auch von ihr gab es eine tränenreiche Verabschiedung, „Wir sagen nicht Tschüss, wir sagen bis bald!“
Dann machte ich noch schnell eine Tour um den Campingplatz und verabschiedete mich von allen, von Clint gab es einen schlabbrigen Hundeschmatz.
Und dann stiegen sie in den grünen Camion ein und fuhren hupend und winkend davon. „On the road again“, rief Paul mir noch zu. Sie werden mir fehlen, die drei!
Wenig später kam dann Aurélia zu mir, zusammen packten wir alle meine Sachen in ihr Auto und fuhren zu ihr, die letzten zwei Nächte habe ich bei ihr verbacht. Sie wohnt in einem kleinen Häuschen mitten in den Weinfeldern, Provence pur! Auch wenn es wohl etwas unhöflich war, legte ich mich doch auf ihr Sofa und schlief eine halbe Stunde, ich war so fertig, ich konnte einfach nicht mehr.
 Am Abend wurde ich dann abgelenkt, wir waren zu einem Geburtstag von einer Freundin von ihr eingeladen, die 15min zu Fuß von uns wohnt. Dort verbrachten wir einen tollen Abend, ich tanzte alle Trauer raus, unterhielt mich mit netten Studenten und es ging mir gut. Im Sonnenaufgang liefen wir dann zurück nach Hause und schliefen den halben Sonntag durch.
Aurélia musste dann zu einer Taufe, und ich machte mir einen gemütlichen Tag. Am Nachmittag fuhr ich mit ihrem kleinen Bus ins Dorf, und dort spielte ich im Schatten der Platanen eine Partie Boule mit den Dorfopis. Gerard, Jean-Jaques, Julien und Jean-Francois – allesamt mit Sonnenhut, offenem Hemd und dickem Bauch und Schnauzbart - freuten sich! Nach der Partie wurde dann der Rotwein rausgeholt, „Ein guter Schluck hiervon, danach zielt man besser!“ Ich bedankte mich bei den netten Herren und fuhr nach Hause. Auf der Terrasse las ich ein wenig im Schatten. Aurélia kam wieder, und zusammen fuhren wir zu Freunden von ihr. Es war mein letzter Abend, und er war toll! Ich traf viele nette Leute, es gab selbstgemachtes Kokosnuss-Sorbet von einer Frau aus der Martinique, ich unterhielt mich mit einem Weinbauer aus Guadeloupe und es wurde viel gelacht. Es waren Kinder dabei, Eltern, sogar die Oma und der Opa waren da! Spontan blieben sie alle bis zum Essen, und wir somit auch. Die Frau aus der Martinique hatte gekocht, und es war super lecker! Als es dann dunkel wurde, brachen wir auf. Zuhause schauten wir uns einen kitschigen Liebesfilm an und dann hieß es ein letztes Mal: Bonne nuit!

Der Morgen kam, und es regnete!
Aurélia fuhr mich zum Bahnhof, wo ich dann mit Sack und Pack in den TGV Richtung Deutschland stieg. Da wurde mir klar: es ist jetzt wirklich vorbei! Und da kullerten die Tränen wieder. Paul und Laure schickten mir eine SMS und wünschten mir eine gute Reise. In Karlsruhe musste ich dann umsteigen, zum Glück war da ein netter Franzose, der mir half meinen schweren Koffer in den ICE nach Hamburg zu wuchten.
Tja, und dann stand ich am Bahngleis im Regen, in Norddeutschland, mit meiner Familie.
Ca y est, c’est la fin.
Nun werde ich mich anderen Abenteuern widmen, das Studium ruft !

Ich habe das Jahr so sehr genossen, und ich werde es für immer in meinen Erinnerungen behalten. Mit Jana und Lea halte ich telefonischen Kontakt, aber wer weiß, vielleicht treffen wir uns ja mal in Rom. Oder Stockholm. Oder doch in Avignon?
On the road angain.

Und nun ein letztes Mal:
Liebe Grüße,
Eure Carolin

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