Über mich

Samstag, 1. September 2012

Ca y est, c'est la fin!


1. September. 
Genau heute vor einem Jahr begann mein Abenteuer in der Provence. Ich bin jetzt schon seit fast einem Monat wieder zurück in Deutschland, und doch denke ich oft an die Zeit in der Sonne zurück. Meine Gastfamilie hat mir liebe Emails mit Fotos von der kleinen Jeanne geschickt, sie kommt übermorgen in die Vorschule und hat einen grünen Ranzen mit einem Rhinozeros drauf. Sie fehlt mir! Sie fehlen mir alle!
Ich werde jetzt mal von den letzten 3 Wochen berichten, wie alles dem Ende zuging. Eins kann ich schon vorab sagen: es war sehr tränenreich!

Zuerst kam der Abschied vom Kindergarten. Die Stimmung an den letzten Tagen war ganz schön, irgendwie friedlich. Pascale und ich ließen alles ruhig angehen, legten uns mit unseren kleinen Krabben in die Kuschelecke, massierten die Füße, lasen Geschichten, sangen. Von einigen Eltern gab es sogar kleine Geschenkchen, was mich sehr rührte. Am Freitag, dem allerletzten Tag, liefen wir fast alle den ganzen Tag weinend umher. Dann traf man sich im Flur, die Augen rot und feucht, umarmte sich und ging weiter. Es war wirklich ein schöner letzter Tag, es gab sogar die guten Crêpes au Champignon zu essen! Und dann wurden die Pforten des Petit Prince für immer geschlossen.

Am Abend fuhren Jana, Lea und ich nach Gigondas, ein kleines Dorf etwas nördlich von uns. Paul und Laure arbeiteten da nämlich mit dem Tourismusbüro zusammen und gestalteten theatralisch einige Dorfführungen. Und weil wir drei ganz liebe nette Mädchen sind wurden wir eingeladen, bei einer Führung mitzumachen. Muriel, die die Führung leitete, erklärte viel über die Geschichte des Dorfes, die Architektur und die Sagen. Und das was uns erzählt wurde, wurde dann theatralisch nachgestellt. In einer Szene stellte Paul einen bösen Prinzen Aragon dar, der die schöne Prinzessin Hugette einsperrte. Zum Glück gab es den stolzen und mutigen Ritter Guillaume (dargestellt von Francois, einem Papa aus dem Kindergarten und guter Freund von Paul und Laure) der sich durch Flüsse und Wälder schlug und die Prinzessin rettete und den bösen Prinzen verjagte.
An einem Brunnen wurde uns das Wassersystem von damals erklärt, und dann kam Laure in einem schönen weißen Kleid und gab uns Wasser aus der Quelle zu trinken, „Du wirst sehen, dieses Wasser wird dich heilen, dein Leben wird sich verändern!“
Ganz zum Schluss sang Paul seinen Traktor Blues, als über die Weinkultur gesprochen wurde. Danach gab es dann echten Gingondas-Wein und Pizza.
Das lustige war, dass ich eigentlich alle Szenen schon kannte. Beim Abwaschen hat Laure immer ihre Texte geübt, und Paul hat sich sehr in seine Rolle als böser Prinz verliebt, dass er auch gerne mal beim Abendessen die Leute rumkommandiert hat, „Ich bin Prinz Aragon, man gebe mir den Salat!“
Also wenn man bei uns zu Hause jemanden mit sich selbst sprechen hörte, war das ganz gewöhnlich. Am Anfang hat mich das etwas irritiert, wieso fragt Laure beim Tomatenschneiden einen unsichtbaren Guillaume, ob er sie heiraten will? Alles normal, total normal.





Wir erklimmen den Giganten!
Genau heute vor einem Monat stand ich beim Sonnenaufgang auf dem „Giganten der Provence“ wie er genannt wird: dem Mont Ventoux. Als kleine Abschiedszeremonie wurden wir von Isabelle, der Leiterin des Kindergartens, eingeladen, mit jedem der wollte auf den 1972m hohen Berg zu steigen. Und so trafen wir uns am 31. August um 19 Uhr am Treffpunkt, und es ging los. Zuvor wurden unsere Schlafsachen mit den Autos hochgefahren, unsere Hilde gehörte auch zu den Bergziegen. Mit drei Autos waren wir hochgefahren, hatten die Sachen abgeladen, wir ließen zwei Autos oben und nur Hilde fuhr wieder nach unten. Beim Abstieg begann malwieder eine ihrer drei Warnlampen zu leuchten, doch anders als sonst fing sie auch laut an zu piepsen. „Das macht sie schon öfters, obwohl, gepiepst hat sie dabei noch nie… naja, wird schon nicht schlimm sein!“, sagte ich. Isabelle, die neben mir saß, schaute sich das Lämpchen an sagte bestürzt: „Das ist das Öl! Ihr habt kein Öl mehr! Und das leuchtet schon länger auf? Seid ihr verrückt? Ihr müsst doch mal Öl nachfüllen!“ Als wir dann wieder unten am Treffpunkt angekommen waren, schaute Damien auch gleich mal unter unsere Motorhaube, die ich festhalten musste, weil das Teil zum festhalten irgendwie nicht existierte. Er prüfte den Ölstand, und meinte nur: „Ihr habt genau gar kein Öl mehr. Ein wunder dass die Kiste überhaupt noch angesprungen ist!“ Er schaute in unserem Kofferraum nach, und jetzt wussten wir auch was in dem komischen Kanister drin war: Öl! Er fütterte unsere Hilde also, und schaute sich auch die anderen Sachen mal ein wenig an. Hier ein leckendes Rohr, da ein Kabel das ins nichts führt. „Okay, ich glaube wir machen die Motorhaube schnell mal zu und tun so, als hätten wir nichts gesehen!“, sagte er kopfschüttelnd. Inzwischen waren die Erzieherinnen vom Kindergarten alle da mit Familie, Leas Gastmama und Kinder und auch Aurélia, unsere Freundin, war mitgekommen. Im Sonnenuntergang waren wir gute drei Stunden unterwegs, immer wieder machten wir kleine Päuschen, sangen Lieder und stärkten uns. 
Auf 900m Höhe war unser Rastplatz, eine kleine Ebene die als Campingplatz dient. und dort fanden wir dann auch alles wieder. Es gab ein Picknick bei Vollmond, Couscoussalat, Melonen, Pizza, Aprikosen, Käse, Rotwein und Kuchen. Isabelle überreichte uns dreien auch noch ein kleines Geschenk, einen selbst genähten kleinen Prinzen als Schlüsselanhänger. Langsam wurden wir alle schläfrig, also bauten wir unserer Lager unter der großen alten Pinie: Isomatte, Schlafsack – fertig. Wir sangen ein paar Einschlaflieder aus dem Kindergarten, und dann hieß es: Bonne nuit! Ganz so schön war die Nacht allerdings für niemanden, der Mond war ziemlich hell, es war kühl und überall raschelte es. 
Aber um 3 Uhr mussten wir sowieso wieder aufstehen, denn wir hatten bis zum Sonnenaufgang noch ein gutes Stück vor uns! Wir packten unsere Sachen also wieder zusammen, schnallten die Rucksäcke auf uns stiefelten im Halbschlaf weiter. Das letzte Stück war wirklich sehr anstrengend, es ging ziemlich steil bergauf, es war dunkel, wir waren müde. Links neben uns sahen wir die schlafende Provence, da hinten war Carpentras, hier vorne muss Mazan liegen. Auf der anderen Seite, hinter den Bergen, sahen wir schon in warmen Farbtönen die Sonne erwachen. Es wurde immer windiger, der Weg immer steiler, die Beine immer schwerer. Doch Isabelle wusste uns zu motivieren, und dann schafften wir es tatsächlich noch rechtzeitig! Gerade hatten waren wir oben auf der Plattform angekommen und hatten uns hingesetzt, da kam die Sonne hinter den Bergen hervorgekrochen. Diesen Moment werde ich nie vergessen! Wir saßen alle Arm in Arm, hoch oben, es windete, keiner sagte ein Wort, und die Sonne erwärmte uns. Magisch.
Doch wir waren nicht die einzigen, die so früh schon gewandert waren: in Mazan gibt es einen Wein-Verein, die sich nun alle hier oben getroffen haben. Sie hatten ein Frühstück vorbereitet, mit Kaffee, Tee, Keksen, Kuchen, und – natürlich – Rotwein. Da Isabelles Mann Damien auch zum Verein gehört, und sich sowieso irgendwie alle kannten, wurden wir spontan mit eingeladen und verbrachten einen netten Moment mit den Weinbauern. Dann fuhren wir mit ein paar Autos wieder nach unten zu unserem Lager, wo wir alle zusammen gemütlich frühstückten. Wir machten ein Nickerchen in der morgendlichen Sonne, dann begann der Abstieg – per Auto, zum Glück. Unsere Hilde stand auch immer noch am gleichen Fleck. Bei den meisten war es das letze Mal, dass wir sie sahen.
Unsere Hilde brachte uns heil wieder nach Hause, ich kam auf dem Campingplatz an, und ging erst einmal schlafen.

Am späten Nachmittag wachte ich dann auf, Jeanne war quietschend auf mein Bett gesprungen, sie wollte dass ich ihr was vorlese. Später half ich dann Laure in der Küche, für den Abend war nämlich eine kleine Feier bei uns geplant. Es kamen hauptsächlich die Leute vom Theater, doch auch Lea und Jana waren eingeladen, es war auch unsere Abschiedsfeier. Jeder brachte etwas zu essen oder zu trinken mit, es gab ein tolles Buffet. Paul hatte Würstchen und Fleisch gekauft, die sich jeder auf einen Spieß steckte und über dem großen Grill braten konnte. Es war ein sehr sehr schöner Abend, als der Roséwein seine Wirkung zeigte holte Paul seine Gitarre raus und schmetterte uns Lagerfeuerlieder, bei denen wir alle lauthals mitsangen. Jeanne turnte den ganzen Abend durch die Gegend, doch irgendwann kam sie auf meinen Schoss geklettert und schlief dann in meinen Armen fast ein, sodass ich sie ins Bett brachte. Gegen zwei Uhr morgens gingen dann die ersten nach Hause, und das Kommando war gegeben. Ich musste mich wieder von vielen lieben Leuten verabschieden, die ich während des Festivals kennengelernt hatte. Ich half Laure noch beim Abwasch, dann gingen wir auch irgendwann in die Wohnwägen.

Dann ist meine Gastfamilie Richtung  Südosten gefahren, mit Freunden von ihnen planen sie ihre neuen Projekte. Das Festival ist vorbei, Laure hatte schon Depressionen, sie meinte Paul sollte doch mal den Campingplatz mit den Bühnenlichtern erleuchten, damit sie sich wie auf der Bühne fühlt. Das Festival ist sehr gut gelaufen wir sie, alle Ausgaben haben sie wieder reinbekommen, und das ist das, was zählt. Gewinn macht auf dem Festival eigentlich niemand, die Saalpreise sind unwahrscheinlich teuer, das geht bis zu 10000€ die Woche. Es geht viel mehr um das Kontakte knüpfen. Oft sind Agenturen unterwegs die sich einige Stücke anschauen, und eventuell dann die Visitenkarte liegen lassen, wenn sie interessiert sind. Und laut Paul sieht es nicht schlecht aus, Interesse aus Nizza, Belgien und Nordfrankreich. 

Und der Termin im Südosten kam recht unvorhergesehen, und somit mussten wir uns früher verabschieden, als gedacht. Zimmer und Wohnwagen ausräumen und saubermachen und versuchen alles irgendwo zu verstauen. Ich saß einen kleinen Moment in meinem leeren Zimmer, alles kahl, alles unbelebt. „Alles ist leer! Jetzt gehst du wirklich endgültig. Nicht nur nach Spanien, in die Bretagne oder an die Côte d’Azur. Das wird ganz komisch ohne dich!“, Laure war zu mir gekommen, wir schauten uns an, und wir mussten beide anfangen zu weinen, so saßen wir da eine Weile weinend arm in arm, bis Jeanne dazu kam und uns fragend ansah.
Der Abschied von meiner lieben Familie fiel mir wirklich sehr sehr schwer. Bereits eine Woche vorher musste ich immer ab und zu weinen, die letzten 3 Tage kannte man mich nur mit geröteten und geschwollenen Augen. Selbst beim Abwaschen konnte ich mich nicht zurückhalten, und Paul konnte es natürlich nicht lassen: „Also wenn du willst, können wir dir eine Packung Spülmittel mitgeben, wenn es das ist, was dich so traurig macht…“ Aber auch er nahm mich immer mal wieder in die Arme und drückte mich fest. Sie luden mich an einem Abend zum Essen ein am See, und Laure schenkte mir ein schönes Paar Ohrringe, als Dankeschön.
Und meine kleine Jeanne hat das alles nicht so richtig verstanden, glaube ich.

„Warum weinst du, Car?“
„Weil ich bald zurück zu meiner Mama und meinem Papa nach Deutschland fahre.“
„Ah. Aber… du kommst danach doch wieder, oder?“

Für sie ist es so, als würde ich eine Reise machen, und danach wie immer wieder zurück kommen. Aber als dann tatsächlich der Abschied kam, weinte meine Kleine dann doch ganz doll und wollte sich nicht aus unserer Umarmung lösen. „Ich will nicht, dass du gehst, Carcar. Du sollst bleiben!“
Auch die Oma von nebenan war gekommen, drückte mir eine Packung Bonbons in die Hand und auch von ihr gab es eine tränenreiche Verabschiedung, „Wir sagen nicht Tschüss, wir sagen bis bald!“
Dann machte ich noch schnell eine Tour um den Campingplatz und verabschiedete mich von allen, von Clint gab es einen schlabbrigen Hundeschmatz.
Und dann stiegen sie in den grünen Camion ein und fuhren hupend und winkend davon. „On the road again“, rief Paul mir noch zu. Sie werden mir fehlen, die drei!
Wenig später kam dann Aurélia zu mir, zusammen packten wir alle meine Sachen in ihr Auto und fuhren zu ihr, die letzten zwei Nächte habe ich bei ihr verbacht. Sie wohnt in einem kleinen Häuschen mitten in den Weinfeldern, Provence pur! Auch wenn es wohl etwas unhöflich war, legte ich mich doch auf ihr Sofa und schlief eine halbe Stunde, ich war so fertig, ich konnte einfach nicht mehr.
 Am Abend wurde ich dann abgelenkt, wir waren zu einem Geburtstag von einer Freundin von ihr eingeladen, die 15min zu Fuß von uns wohnt. Dort verbrachten wir einen tollen Abend, ich tanzte alle Trauer raus, unterhielt mich mit netten Studenten und es ging mir gut. Im Sonnenaufgang liefen wir dann zurück nach Hause und schliefen den halben Sonntag durch.
Aurélia musste dann zu einer Taufe, und ich machte mir einen gemütlichen Tag. Am Nachmittag fuhr ich mit ihrem kleinen Bus ins Dorf, und dort spielte ich im Schatten der Platanen eine Partie Boule mit den Dorfopis. Gerard, Jean-Jaques, Julien und Jean-Francois – allesamt mit Sonnenhut, offenem Hemd und dickem Bauch und Schnauzbart - freuten sich! Nach der Partie wurde dann der Rotwein rausgeholt, „Ein guter Schluck hiervon, danach zielt man besser!“ Ich bedankte mich bei den netten Herren und fuhr nach Hause. Auf der Terrasse las ich ein wenig im Schatten. Aurélia kam wieder, und zusammen fuhren wir zu Freunden von ihr. Es war mein letzter Abend, und er war toll! Ich traf viele nette Leute, es gab selbstgemachtes Kokosnuss-Sorbet von einer Frau aus der Martinique, ich unterhielt mich mit einem Weinbauer aus Guadeloupe und es wurde viel gelacht. Es waren Kinder dabei, Eltern, sogar die Oma und der Opa waren da! Spontan blieben sie alle bis zum Essen, und wir somit auch. Die Frau aus der Martinique hatte gekocht, und es war super lecker! Als es dann dunkel wurde, brachen wir auf. Zuhause schauten wir uns einen kitschigen Liebesfilm an und dann hieß es ein letztes Mal: Bonne nuit!

Der Morgen kam, und es regnete!
Aurélia fuhr mich zum Bahnhof, wo ich dann mit Sack und Pack in den TGV Richtung Deutschland stieg. Da wurde mir klar: es ist jetzt wirklich vorbei! Und da kullerten die Tränen wieder. Paul und Laure schickten mir eine SMS und wünschten mir eine gute Reise. In Karlsruhe musste ich dann umsteigen, zum Glück war da ein netter Franzose, der mir half meinen schweren Koffer in den ICE nach Hamburg zu wuchten.
Tja, und dann stand ich am Bahngleis im Regen, in Norddeutschland, mit meiner Familie.
Ca y est, c’est la fin.
Nun werde ich mich anderen Abenteuern widmen, das Studium ruft !

Ich habe das Jahr so sehr genossen, und ich werde es für immer in meinen Erinnerungen behalten. Mit Jana und Lea halte ich telefonischen Kontakt, aber wer weiß, vielleicht treffen wir uns ja mal in Rom. Oder Stockholm. Oder doch in Avignon?
On the road angain.

Und nun ein letztes Mal:
Liebe Grüße,
Eure Carolin

Samstag, 21. Juli 2012

Abschiedfeierei, Avignons Festival, Autsch mein Fuß!


Mein Auslandsjahr neigt sich dem Ende zu. Vielleicht ist das mein letzter Bericht auf französischem Boden? Nur noch eine Arbeitswoche im Kindergarten, dann noch zwei Wochen Urlaub. Die Traurigkeit über den Abschied wir immer größer und größer, und überdeckt inzwischen die Freude auf die Heimkehr. Letztens war ich mit Hilde auf den Landstraßen unterwegs, und mir wurde plötzlich klar, dass das alles bald ein Ende hat, nie wieder werde ich mit Hilde vorbei an Weinfeldern düsen, dabei die Tour de France überholen oder vielleicht eine Uralte VW-Ente (manchmal sogar ein schneller Mercedes aus Deutschland, die Touristen schleichen immer so). Werde ich noch einmal einen Spaziergang mit meiner Gastoma machen? Wie oft werde ich noch die selbst gemachte Aprikosenmarmelade aus dem Kindergarten mit den Kindern naschen? Was werde ich in meiner letzten Nacht in meinem Wohnwagen denken?
Wann komme ich zurück?


Letzten Freitag haben einige Mütter und Väter des Kindergartens eine kleine Abschiedsfeier organisiert, abends haben sie im Kindergarten ein Buffet aufgebaut, mit Melonen aus dem eigenen Garten, Zucchinitarte, Oliven, Aprikosenkuchen, Käse mit Baguette und der gute Roséwein durfte auch nicht fehlen. Alle zusammen sangen wir einen schönen französischen Klassiker von Georges Brassen: „Les copains d’abord“, also „die Freunde zuerst“. Dann gab es sogar kleine Geschenktüten für uns drei und die Erzieherinnen, jeder bekam eine Kette mit einem Heilstein, ich bekam Rosenquarz. Bei der Bedankungsrunde kamen mir dann doch die Tränen hoch, und einmal angefangen, hörte es gar nicht mehr auf. Meine kleinen Elfis backten mir dann einen Kuchen aus Sand zum Trösten, was alles nur verschlimmerte. Doch auch einige Mütter hatten feuchte Augen, ein Abschied fällt nie leicht. Auch wenn mich so vieles im Kindergarten gestört und genervt hat, auch wenn die Arbeit wirklich anstrengend war und wir oft unmotiviert waren – hatten wir doch eine tolle Zeit, wir haben die Kinder großwerden sehen, mein kleinster Elfi kann nicht viele Wörter sagen, aber zu Mama, Papa und Essen ist jetzt Carolin hinzugekommen. Die kleinen haben sich alle ein kleines Plätzchen in meinem Herzen genommen, und nun steh ich da vor ihnen weinend und sie versuchen mich zu trösten, obwohl das doch normalerweise anders herum ist! 

Die Abschiedsfeierei ging am Montagabend gleich weiter, diesmal gab es zu dem Roséwein Pizza für alle und Geschenke von unseren Kindergärtnerinnen, das Buch „Le Petit Prince“ und von meiner Kollegin noch ein persönliches Geschenk. Sie hatten für uns ein Lied gedichtet, was sie uns in der Abendsonne vorsangen:
„Es lebe Lea, es lebe Jana und es lebe Carolin, sie sind gekommen aus der Kälte und dem Regen, doch ihr Herz war voll Sonne, die sie den Kindern gaben.“
Für jeden von uns gab es dann noch eine extra Strophe, sogar unsere Hilde war eine gewidmet: „Das Ende der Woche naht, das Auto wird uns tragen, von Spanien bis in die Bretagne und durch die ganze Provence.“
Und wieder war ich zu Tränen gerührt, ich frage mich wie der richtige Abschied sein wird, alle in die Boote!!

Avignon im neuen Look

Plakate aufhängen mit Paul
Aber bevor wir drei nur weinend in den Betten liegen, unternehmen wir lieber tolle Sachen! Das große Festival in Avignon hat angefangen, das ließen wir uns natürlich nicht entgehen. Bereits vor einer Woche fuhr ich mit meinen Gasteltern nach Avignon, ich half ihnen beim Flyer verteilen und düste mit Plakaten bewaffnet durch die Stadt und versuchte die Touristen davon zu überzeugen, das Stück meiner Gasteltern zu sehen. Während Mama und Papa selber auf der Bühne standen, schaute ich mit Jeanne ein Kindertheaterstück an, voller Gesang, Tanz, Feen, Zwergen und guter Laune. Jeanne war sehr begeistert, und auch ich hatte meinen Spaß. Wir kämpften uns zurück durch die überfüllten Straßen, ständig blieben wir stehen weil überall was zu sehen war: eine Frau mit riesigem blauen Hut, ein Zauberer der Blumen aus seinem Hut zauberte, ein Mann auf einem riesigem Fahrrad wo hinten ein Klavier drauf war, eine Frau die mit Marionetten spielte oder einfach nur eine Prinzessin, die uns einen schönen Tag wünschte. Ich gab Jeanne in die Hände von Paul und Laure und hatte frei, doch anstatt mit ihnen nach Hause zu fahren blieb ich noch in Avignon. Ich traf mich mit Jannik, dem Freiwilligen aus Sorgues, und einem Freund von ihm, und zusammen schlenderten wir durch die Gassen, setzten uns an den Papstpalast und schauten dem Treiben zu, gerade war eine Truppe von Romeo und Julia dabei, die Balkon Szene auf der Straße aufzuführen. Dann beschlossen wir, uns noch ein Stück anzuschauen, was wir dann auch taten. Es war sehr abstrakt, sehr modern, 6 Schauspieler und kaum Text, nur bizarre Musik zu der sich bewegt wurde, sie aßen Spaghetti und erbrachen sich danach, ein Mann trug die ganze Zeit hohe Schuhe und zog der anderen an den Haaren, eine täuschte einen Epileptischen Anfall vor. Bizarr! Später diskutierten wir noch viel über das Gesehene, und es ließ viel Platz für verschiedene Interpretationen. Mit dem Bus fuhr ich dann schließlich bis nach Carpentras, wo ich mir von Lea die gute alte Hilde schnappte und nach Hause fuhr, Paul rief uns zum Pizza-Essengehen auf, und so saßen wir in einem kleinen Restaurant bei Pizza und Roséwein, wo ich meine Eindrücke des Tages den „Fachmännern“ erzählen konnte.   
 
Und auch diesen Samstag ging es nach Avignon, wie letztes Mal fuhr ich mit Paul und Laure zusammen, Jeanne blieb diesmal bei der Oma. Ich half wieder beim Flyer verteilen, dann dann holte ich Jana und Lea am Place Pie, dem Hauptplatz Avignons, ab, und zusammen gingen wir zum Theater, wo Laure schon hektisch und aufgeregt hin und her lief. Seit dem 7. Juli spielen sie jeden Morgen um 10Uhr ihr Stück „L’homme semence“ (Samenmann) und jeden Morgen sitze ich im Schlafanzug am Frühstückstisch, während meine Gastmama total aufgeregt durch die Gegend rennt und ihren Text aufsagt. Wir drei Mädchen haben sogar Einladungen bekommen, und so waren wir pünktlich am Theater und nahmen unsere Plätze ein. Ich hatte das Stück ja bereits einmal bei uns Zuhause gesehen, doch auch beim zweiten Mal war ich mehr als begeistert. Ein sehr bewegender Text, und Laure bringt da so viele Gefühle rein, sie macht den Text lebendig, von ihrer morgendlichen Nervosität ist nichts mehr zu sehen. Mein Gastpapa Paul ist für das Licht zuständig, er selbst ist gar nicht auf der Bühne. Neben Laure ist nur Emanuelle auf der Bühne, die einige Szenen mit Harfe und Gesang begleitet. Jana und Lea waren ebenfalls sehr berührt und beeindruckt. Zur geistigen Erholung mussten wir erst einmal shoppen gehen, der Sommerschlussverkauf ging in die zweite Runde, die bisher noch nicht verkauften Sachen wurden noch einmal heruntergesetzt. Ich kaufte mir 3 schöne Sommerkleider, dann ist mir aufgefallen, dass ich die Zuhause wohl gar nicht tragen werden können, so wie das Wetter in Norddeutschland zurzeit aussieht…!  In einem kleinen Restaurant in der Stadtmitte aßen wir leckere Pizza, und immer wieder kamen Schauspieler in ihren Kostümen an unseren Tisch vorbei und erzählten uns von ihren Stücken, die unbedingt sehenswert seien. Wir rafften uns nach dieser kleinen Pause auf und wollten noch etwas anschauen, wussten aber nicht was. Man sitzt dann da mit seinem riesigen Katalog, blättert und blättert und kann sich doch nicht entscheiden. Es gibt immerhin über 1150 Stücke in die man gehen könnte, in über  gingen in ein anderes Theaterstück, was „Romeo hasst Julia“ hieß. Auch da wurden wir auf der Straße angesprochen, und es klang ganz spannend. Diesmal waren wir in einem Kinosaal, was für das Festival zu einem Theater umfunktioniert wurde. Wir setzen uns hin, das Licht ging aus. Das Licht ging dann später wieder an und wir standen auf und verließen das Theater. Alles was dazwischen passierte ist nicht erwähnenswert. Wir waren sehr sehr enttäuscht, das Stück war einfach nur dämlich, niveaulos und schlecht. 12€ in den Wind geschossen, na toll. Da wir alle etwas frustriert waren, gönnten wir uns eine Kugel Eis und schlenderten weiter durch die Straßen, hörten einem Jazzensemble zu, schauten einer Gruppe von Leuten aus verschiedenen Ländern zu, die in der jeweiligen Sprache etwas erzählten. Ein Stückchen weiter setzten wir uns hin, eine Gruppe aus 5 Jugendlichen führten eine Tanzshow vor. 

Eine kleine Flyersammlung
Das Programm.
Es ging zurück zum Place Pie, wo eine Truppe von Matrosen à la Schantychor sangen, im Hintergrund hörte man Möwengekreische aus der Musikbox. Heimatsgefühle! Wir beschlossen, dem ganzen noch einmal eine Chance zu geben und machten uns auf zu einem Theater, wo wir einen Tanz sehen wollten. Zwei Tänzer tanzten sehr modern, sehr abstrakte Bewegungen, ähnlich wie das Stück was ich mit Jannik gesehen hatte. Es regte zum Nachdenken an, jeder suchte den Sinn und hat einen eigenen gegeben, wie sich in der Diskussion danach herausstellte. Und dann hatten wir schon wieder Hunger, natürlich. In einem kleinen Bistro gab es Pasta zum mitnehmen, einmal Spaghetti mit Pesto bitte! Da es bereits dämmerte, machten wir uns auf den Weg zum Papstpalast, denn es war ein großes Feuerwerk und eine Lichtshow angekündigt. Wir ergatterten einen Platz oben auf den Mauern des Palastes, Jannik und ein Freund von ihm soßten zu uns, und zusammen bestaunten wir das große Feuerwerk. Es war nämlich der 14.Juli, Tag der französischen Republik, in ganz Frankreich war große Fete. Danach wurde mit großen Projektoren auf den Mauern des Papstpalastes die Geschichte des Theaters in Avignon erzählt, mit Videoausschnitten, Animationen und Musik. Doch irgendwann wurde es uns zu langweilig, wir wollten lieber durch die Straßen schlendern. In einer Ecke war ein „Vive les Rolling Stones“ Konzert, wo wir etwas feiern gingen. Um 3 Uhr fuhren wir dann schließlich nach Hause, alle drei zusammen schliefen wir bei Jana. 
 


Am nächsten Morgen hatten wir einen etwas ruhigeren Plan, der vorherige Tag in Avignon war wirklich anstrengend gewesen, es sollte erneut nach Sault gehen, um den Lavendel anzuschauen. Und tatsächlich, diesmal blühten die großen Felder, die man auf den ganzen kitschigen Postkarten sehen kann. Ein violettes Meer, das Summen der Bienen, der Duft des Lavendels, die Sonne und schöne lange Kleider die wir anhatten – geht es noch kitschiger? Wir pflückten ein paar Sträuße, rannten durch die Felder und ruhten uns im Schatten der großen, uralten Eiche aus. Wunderbar! 
Der Hunger trieb uns dann zurück nach Carpentras, wo wir in einem schönen Café ein Sandwich aßen und Pfirsichsaft tranken. Danach wollten wir eigentlich mit den alten Männern Boule spielen gehen, um den Tag wirklich klischeehaft abzuschließen, doch leider waren sie schon weggegangen, es war Zeit der Sieste. Da uns nichts mehr einfiel, was wir machen können, trennten wir uns, Lea ging zu Fuß nach Hause und Jana brachte mich noch schnell zu meinem Wohnwagen, wo ich dann auch eine Sieste machte während die Grillen um die Wette zirpten.
Was für ein Tag à la provençale!

Und jetzt muss ich von einem kleinen Unfall berichten, ich bin nämlich vorgestern einen Wasserfall runter gerutscht und sitze jetzt mit einem unbeweglichen, gestauchten und bandagierten Fuß in meinem Wohnwagen und kann nicht zur Arbeit.
Die Unfallstelle!
Ich war am Mittwoch nämlich mit Jana und ihrer Gastmutter Hélène in Bagnols-sur-Cèze, wo ein bisschen außerhalb die Cascade du Sautedet ist. Der Fluss Cèze fällt an der Stelle nämlich stark ab und windet sich durch Schluchten, Wasserfällen, Terassen und kleinen Kanälen nach unten. Bei 37°C und praller Sonne zogen wir rasch die Badesachen an und ließen uns ins kühle Nass, direkt neben unseren Sachen verlief ein Wasserfall der mehrere Terrassen bildete, und so setzten wir uns in eine uns ließen uns von der recht starken Strömung den Rücken massieren. Irgendwann merkte ich, wie die Strömung mich ein bisschen nach vorne trieb, nicht so schlimm, dann halte ich eben in der nächsten Terrasse an. Tja, dann war‘s auch schon geschehen. Die Strömung war so stark, dass ich nicht anhalten konnte, die Felsen drum herum waren so glitschig, dass ich mich nicht festhalten konnte. Ich hörte noch ein lautes „Neeeeeiiiiin!“ von Jana, und dann ging die Talfahrt los. Natürliche Wasserrutsche vom feinsten! Etwa 10m ging es um Kurven, durch Stromschnellen und vor allem von Fels zu Fels. Ich hatte ja keine Ahnung wie der Wasserfall verlaufen wird, vielleicht knalle ich am Ende gegen eine Felswand? Oder ich knalle mit meinem Kopf gegen einen Felsen und werde bewusstlos? Ich rutschte an mehreren Leuten vorbei, die alle recht alarmiert dreinblickten. Schließlich kam der letzte große Fall in den Fluss unten – leider war er nicht tief genug, und ich fiel mit viel Schwung auf eine Steinplatte und fing mich mit dem rechte Fuß ab. Es tat kurz weh, doch war ich anscheinend so froh dass nichts Schlimmeres war, dass ich kaum Schmerzen verspürte. Ich winkte kurz nach oben wo Hélène, Jana und irgendwie auch ganz viele andere Leute erschrocken standen, dann musste ich ein gutes Stück schwimmen um aus dem Wasser klettern zu können. Und als ich dann zurück an unserem Platz angekommen war, bemerkte ich, dass nicht nur mein Knie blutete, sondern auch mein Fuß ziemlich weh tat. Das wurde mit der Zeit immer schlimmer, bis ich ihn schließlich gar nicht mehr wegen konnte. Wir blieben also sitzen, ich hing meinen Fuß ins Wasser und wir picknickten. Am Abend war der Schmerz noch schlimmer geworden, und Jana und Hélène überredeten mich, ins Krankenhaus zu fahren. Dort wurde ich in einen Rollstuhl gesetzt, von A nach B geschoben, 5 verschieden Ärzte tasteten ein bisschen an meinem Fuß rum, dann wurde er geröntgt und schließlich kam eine andere Ärztin und meinte: „Ihr Fuß ist nicht gebrochen, alles gut, eventuell ein bisschen verstaucht. Sie können gehen.“ „Ähm, ich kann aber nicht „gehen“. Wie soll ich mich denn fortbewegen?“ „Achso, sie können gar nicht auftreten? Na gut, dann verschreibe ich ihnen mal Paracetamol für die schmerzen, dann sollte das gehen.“ „Und haben sie vielleicht Krücken? Oder eine Bandage? Irgendwas?“ „Hm. Ich kann Ihnen natürlich auch noch Krücken verschreiben, wenn sie wollen.“ „Ja, das wäre nett.“ „Okay, das hätten wir, schönen Abend also!“
Ende meines Krankenhausaufenthaltes.
Zu Hause bei Jana machte mir Hélène einen Lehmumschlag, ihr Ehemann Jean gab mir heißen Lavendelsirup zum trinken, das soll wohl gegen den Schock helfen. Da ich ja auch kein Auto fahren konnte, fuhr Jana mich nach Hause und schlief mit mir in meinem Wohnwagen. Das Wochenende war ich eigentlich fürs Jeanne-Aufpassen eingespannt, aber mit Krücken und dickem Fuß ist das irgendwie nicht so toll. Also engagierten Paul und Laure Jana, und so passten wir zusammen am Freitagabend auf meine kleine auf. Jeanne war auch ganz lieb, sie heilte meinen Fuß mit einer selbstgemischten Gras-Blatt-Wasser-Ast-Suppe. So hatten Jana und ich auch noch einen netten Abend, während Jeanne in meinem Wohnwagen schnarchte saßen wir noch lange draußen, aßen Kekse und schnackten ausgiebig. Im Kindergarten sind alle ganz besorgt um mich, Jana sollte mir liebe Grüße und Umarmungen ausrichten, ich soll bloß nicht den Fuß bewegen und schnell gesund werden.

Und heute fahren Lea und Jana nochmal nach Avignon, aber ich ruhe lieber meinen Fuß aus, beschmiere ihn abwechselnd mit Arnika-Salbe, Lavendelöl, tauche ihn in Salzwasser oder mache ein Sportgel drauf. Laut Paul hilft ein Blatt Kohl bei sowas sehr gut, aber er kam auch schon mit einer Säge an und meinte, dass sei die beste Lösung. So ein paar Tage ausruhen tut wirklich gut, vor allem weil ich ja gesund und munter bin! Ich habe Zeit in der Sonne zu lesen, meinen Blog zu schreiben, zu malen und zu schlafen wann ich will.
Und weil ich so viel Zeit habe, habe ich mal die Zikaden bei ihrer Häutung zugesehen und dokumentiert. Was man eben so macht!
 
Montag beginnt dann endgültig die letze Arbeitswoche – komisches Gefühl.

Also, ich schicke ein bisschen Sonne in den Norden, wir können ein bisschen Regen gebrauchen, aber nicht so viel bitte.

Allerliebste Grüße,
Carolin

Sonntag, 1. Juli 2012

Le temps passe ...


Heute ist der 1. Juli. Der letzte Monat hier in der Provence, in der die Melonen reifen, man die Aprikosen und Pfirsiche von den Bäumen pflückt, wo der Lavendel so schön duftet und die Grillen schon um 8 Uhr morgens beim Frühstück zirpen, ist nun endgültig angebrochen. Noch fünf Wochen verbleiben mir auf diesem schönen Fleck Erde. Von einem kleinen Elfi aus dem Petit Prince musste ich mich schon verabschieden, und bis Ende Juli wird es so weiter gehen. Es regnet in Strömen, eigentlich war für heute das große Abschiedsfest im Kindergarten geplant, es fällt jetzt aber vermutlich - im wahrsten Sinne des Wortes – ins Wasser. Die Gefühle sind sehr verwirrend und vermischt zurzeit: natürlich freue ich mich auf mein Zuhause in Deutschland, auf meine Familie und meine Freunde, auf Mamas Erdbeermarmelade, auf das schöne Hamburg und auf meine Kuscheldecke in meinem Bett. Es fällt Jana, Lea und mir schwer, jeden Tag die Motivation bei der Arbeit aufrecht zu halten, langsam haben wir genug vom putzen, vom spülen, vom Windeln wechseln. So schön das Leben in der Gastfamilie ist, so gerne ich mit ihnen zusammen bin – es reicht jetzt langsam. Doch dann gibt es so schöne Momente, wenn meine kleine Jeanne mich in den Arm nimmt und mir sagt, dass sie mich lieb hat und nicht will, dass ich gehe, wenn meine kleinen Elfis sich freuen, dass ich da bin und ich sie zum Lachen bringe, wenn ich mich mit Jana, Lea und Hilde am Wochenende ins Abenteuer stürze, oder wenn ich einfach im Schatten der Olivenbäume in der Hängematte liege, dem Konzert der Grillen lausche und mich an die schönen Momente erinnere, die ich hier erleben durfte – dann kommt doch der Abschiedsschmerz hoch.
Dazu kommt, dass ich gar nicht richtig weiß, was nach meiner Ankunft in Deutschland auf mich zukommt. Ich warte auf die Antwort der Universitäten, bei denen ich mich beworben habe, dann werde ich umziehen, arbeiten, studieren. Aus dem einen Abenteuer falle ich direkt ins nächste. Die Zeit rennt, und rennt! Gerade habe ich erst mein Abitur gemacht, nun lebe ich in Frankreich in einem Wohnwagen, übermorgen studiere ich (hoffentlich) irgendwo. Verrückt. 

Lea, Jana und ich versuchen die letzten Wochenende, die uns verbleiben, zu nutzen. Letztes Wochenende fuhren wir in den Norden, um die blühenden Lavendelfelder anzuschauen. Die blühten allerdings gar nicht! Also änderten wir spontan unsere Pläne und fuhren an unseren See. Abends fuhren wir nach Avignon, wo die Waldorfschule ein Konzert vor dem Papstpalast mit Gesang und Orchester organsiert hatte und wir so eisschlürfend (die Preise für eine Kugel Eis werde ich sicher nicht vermissen!!) die Musik von „Chocolat“ und „Die Fabelhafte Welt der Amelie“ genossen. Wir übernachteten alle drei in meinem kleinen Wohnwagen auf dem Campingplatz. Meine Gastfamilie zieht im Sommer nämlich immer in ihre „Sommerresidenz“, wie sie immer sagen: in ihren Wohnwagen, der auf dem großen Campingplatz auf der anderen Straßenseite steht. Und so habe auch ich meine eigene „Sommerresidenz“, in der locker 2 gute Freundinnen schlafen können. Morgens um 9 waren dann auch schon 30°C, die Butter schmolz schneller als wir sie essen konnten. 

Und der nächste Programmpunkt des Tages war einfach genial: Unsere Freundin Aurélia hatte uns zum Wasserwandern eingeladen! Ziemlich gespannt fuhren wir zum Toulourenc, ein kleiner Fluss in der Nähe von Malaucène, hinterm Mont Ventoux. Einige Kilometer wanderten wir also durchs wunderbar kühle und klare Wasser über schöne flache Steine, vorbei an kleinen Wasserfällen und durch den Dschungel von wunderschöner Flora und Fauna. Blauglitzernde Libellen und knallgrüne Echsen begleiteten uns auf unserem Weg. An einigen Stellen wurde das Wasser dann plötzlich so tief, dass wir die Rucksäcke auf dem Kopf tragen mussten. Wir fanden sogar eine kleine Grotte in die wir uns kurz rein trauten und Stalaktiten (oder Stalakmiten?) bestaunen konnten, eine Lehmkur verpassten wir unserer Haut auch noch. Auf einer kleinen Steininsel machten wir kurz Rast, picknickten und ruhten uns aus, bevor wir den Rückweg wagten. Alles in allem war das ein super Ausflug, erholsam und aufregend, schön und erfrischend bei dieser Hitze!

Letzten Donnerstag kletterte das Thermometer auf 37°C, und Jana und ich waren am Abend in Avignon unterwegs, um Plakate für das große Theaterfestival, auf dem Paul und Laure spielen werden, an die Leute zu bringen. Paul, Laure und Jeanne waren wieder mit ihrem grünen Bus ans Meer gefahren, um vor dem Festivalstress noch einmal aufzutanken. Von 19 Uhr bis Mitternacht liefen wir durch die Gassen, zwischendurch schauten wir mit den anderen Freiwilligen aus Sorges das EM-Spiel von Deutschland. Selbst um 11 Uhr abends braucht man hier keine Jacke mehr, die Luft kühlt auch nachts nicht mehr ab. Am Freitag waren Jana und ich dann etwas kleinäugig unterwegs im Kindergarten, aber spaßig war es trotzdem.
Am Freitagabend waren Simon, Matthias und Thibault, ein Freund von Matthias aus Lyon, gekommen, um bei uns zu grillen. Mich luden sie dann auch spontan ein, und zu viert verbrachten wir bei ein paar Gläsern Roséwein und Pastis, gegrillten Würstchen und Akkordeonmusik von Simon einen lustigen Abend.

Am nächsten Morgen war ich allerdings wieder früh auf den Beinen, denn für uns Mädels stand der Sommerschlussverkauf an! Es ging wieder nach Nîmes, von einem Laden in den nächsten. Bei den heißen Temperaturen war das allerdings gar nicht so angenehm, sodass wir relativ früh wieder fuhren, um an der Pont du Gard im erfrischenden Fluss baden zu gehen. Bei dem Wetter kann man wirklich nichts anderes machen, außer baden, baden, baden – und Eis essen. 

Tja, und heute regnet es den ganzen Tag, aus dem groß geplanten und angekündigten Abschlussfest wird wohl nichts. Sehr schade, denn in 26 Tagen wird der Petit Prince endgültig schließen. Die Regierung will den alternativen Instituten in Frankreich nach und nach das Geld streichen, und so kann der kleine Waldorfkindergarten in Mazan sich nicht selbst finanzieren – und muss schließen. Bei dem Abschlussfest waren alle ehemaligen Kinder, Eltern und Freiwilligen eingeladen, es hätte Musik und Spektakel gegeben, doch nun werden wohl alle drinnen im Haus hocken, dazu haben wir keine Lust und werden wohl zu Hause im trockenen bleiben, so schade es auch ist.

Ich werde jetzt noch ein paar Kuscheltierfische nähen, die ich meinen kleinen Elfis als Abschiedsgeschenk geben werde. Ich komme nicht drum rum.

Nun denn, ich wünsche euch eine schöne Zeit, und verbleibe mit lieben Grüßen an alle,
eure Carolin